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Joseph von Sonnenfels
Für Kaiserin
Maria Theresia ein treuer Diener des Reichs, für Kaiser
Josef II. ein Logenbruder, für die Juden
ein Abtrünniger - für die Wiener der "Nikolsburger
Jude" Der Vater von Joseph Sonnenfels war der in Berlin lebende
Rabbiner Moses Mendelsohn (1729 - 1786). Seine philosophische
Ansichten bewirkten eine Renaissance des religiösen
Judentums, indem er es als die Religion der Vernunft ansah,
die als einzige der Rationalität
des Zeitalters entsprach, die Bibel in die deutsche Sprache übersetzte
und seine Glaubensbrüder aus dem Schtetl, geografisch,
aber besonders mental, herausholte.
1734 ging er nach Wien, konvertierte und nahm den Namen
Aloys Wiener an. Er ließ auch seine Söhne taufen
und heiratete später eine Katholikin, nachdem die
erste Frau die Taufe verweigert hatte. Bereits 1746 wurde
er zum Freiherrn Aloys von Sonnenfels geadelt, nachdem
er orientalische Sprachen an der Universität zu unterrichten
begann und Maria Theresia als Hofübersetzer und Dolmetscher
diente.
Wie man sieht, hat sie nicht nur den Sohn, sondern vorher
auch schon den Vater nach dessen Taufe voll akzeptiert
und nicht wie ihr Volk ihre jüdischen Untertanen zu "ewigen
Juden" gestempelt! Im Gegensatz zu seinem Sohn Joseph,
der als sehr eitel galt und nicht bei allen auf Sympathie
stieß, starb
Aloys von Sonnenfels als hochgeehrter Mann.
Joseph von Sonnenfels, der Mann zwischen den Zeiten und
den Glaubensbekenntnissen, wurde 1732 in Nikolsburg geboren.
Wie gesagt ließ ihn sein Vater im Alter von drei
Jahren taufen. Zunächst wollte er ins Kloster gehen.
Wie man sieht, genügte die Taufe nicht, um Vorurteilen
auszuweichen. Der Platz in der Gesellschaft konnte am besten
durch das Kloster oder das Heer erworben werden. Er diente
von 1749 bis 1754 im Deutschmeisterregiment in Klagenfurt
und in Wien. Sein Leben und seine Karriere nahmen jedoch
einen ganz anderen Lauf, und als Berater Maria Theresias
und ihrer Söhne Josef II. und Leopold II. war er die
Fleisch gewordene Verkörperung des aufgeklärten
und humanen Absolutismus der Zeit, den er stets mitformen
konnte.
Joseph von Sonnenfels war ein außergewöhnlich
vielseitiger Denker. War sein Vater noch der rabbinischen
Tradition der Theologie und der Religionen verhaftet, gab
es fast kein Gebiet, auf dem er selbst nicht tätig
gewesen wäre. Auch das brachte ihm viele und prominente
Neider, die jedoch seiner Karriere keinen Abbruch tun konnten.
Seine damals so notwendigen und modernen Reformen wirken
noch bis heute nach.Maria Theresia, die Kluge, vertraute
ihm sehr, und damit hatte er schon gewonnen. Noch immer
wird er als einer der einflussreichsten Männer im
habsburgischen Imperium in der zweiten Hälfte des
18. Jahrhunderts bezeichnet.
Da er Jus studiert hatte, war seine Grundprofession das
Recht, aber noch bevor er zur Armee ging, hatte er bereits
ein Philosophiestudium an der Universität Wien absolviert.
Er beherrschte neun Sprachen fließend, darunter Hebräisch,
und folgte seinem Vater als Hofübersetzer nach. Sein
großer Karrieresprung war jedoch 1763 die Berufung
zum Professor der neu geschaffenen Lehrkanzel für "Polizey-
und Kameralwissenschaften" der Universität Wien, Vorläuferin
der Politik- und Staatswissenschaften an der juridischen
Fakultät.
Sonnenfels persönlich jedoch liebte vor allem die
Literatur und das Theater und hatte den Lehrstuhl für
deutsche Sprache angestrebt. Will man die berufliche Laufbahn
und die außergewöhnliche Karriere dieses so
vielseitig gebildeten und interessierten Mannes beschreiben,
begibt man sich in ein schier unentwirrbares Labyrinth,
so dass man nur auf die bedeutendsten Tätigkeiten
hinweisen kann, die von der Reform der Wiener Theater durch
die Abschaffung der absolut nicht mehr zeitgemäßen
Figur des Hanswurst bis zur Verbesserung der Straßenbeleuchtung
der Stadt durch die Einführung von Öllampen,
die Einführung des Begriffes "Vaterland", die Hervorhebung
der eigenständigen österreichischen Literatur
bis zur Abschaffung der Folter in der Gesetzordnung des
Reichs führen.
Ab 1765 behandelte er in seinen Wochenblättern "Der
Mann ohne Vorurteil" dieses für ihn persönlich
brennende Thema, das leider so aktuell geblieben ist! Irgendwie
hatten die Menschen damals ohne Tinte, Schreibmaschine
oder Computer ein enormes Schaffenspotenzial und verfügten
scheinbar über viel mehr Zeit. So veröffentlichte
Joseph von Sonnenfels etwa 150 Bücher, zusätzlich
zu zahlreichen Pamphleten und Texten so verschiedenen Inhalts
wie Nationalökonomie, Finanzwissenschaft, Merkantilismus
etc., die jahrzehntelang großen Einfluss ausübten.
Er war gegen die Urbanisierung und plädierte für
ein Mindesteinkommen der arbeitenden Bevölkerung und
für die Einführung indirekter Steuern.
In einer Zeit, die kaum den Feudalismus überwunden
hatte, war er wahrhaft ein Pionier des Fortschritts und
der Veränderung. Ebenso setzte er sich für Reformen
im Erziehungswesen ein, als Kämpfer gegen Ignoranz
und Analphabetismus. Groß war sein Anteil an der
Formulierung des Toleranzpatents von Kaiser Josef II.,
das für die Juden von größter Bedeutung
und Hoffnung war, obwohl es bereits in seinem Titel die
Saat enthielt, die später so grausam aufgehen sollte,
da "Toleranz" eigentlich die Mutter jedes Vorurteils ist,
die Juden aber Akzeptanz suchten.
Sonnenfels pflegte einen kritischen Austausch mit Gotthold
Ephraim Lessing und stand in Kontakt zu Goethe. 1782 veröffentlichte
er in Berlin den Aufsatz "Das Forschen nach Licht und Recht",
mit dem er versuchte, Moses Mendelssohn davon zu überzeugen,
sich taufen zu lassen. Das veranlasste Mendelssohn zur
Verfassung eines seiner tiefsten theologischen und menschlichen
Bekenntnisse zum Judentum: seiner Schrift "Jerusalem" (1783).
Nichtsdestoweniger machte Sonnenfels Mendelssohn zum Mitglied
der von ihm hier gegründeten Deutschen Gesellschaft
und der Wiener Akademie der Wissenschaften. Er selbst besaß außer
seinem Adelspatent alle erstrebbaren Titeln des Reichs,
war Wirklicher Geheimrat, Wirklicher Hofrat, zweimal Rektor
der Universität Wien, Präsident der Akademie
der Wissenschaften und der k. k. Akademie der Bildenden
Künste; ein hochgeehrter und hochverdienter Mann,
noch dazu Großmeister der Freimaurerdistriktloge "Zur
wohltätigen Eintracht": das Spiegel- und Ebenbild
der Emanzipation, die in ihren Anfängen besonders
den Juden so viel verheißen hatte.
Das war die Generation, die sich im Salon
von Fanny von Arnstein traf, das Stelldichein für alle politischen
und geistigen Größen der Zeit, ein Glanzpunkt
im Wien von damals. Zwischen den Zeiten. Sonnenfels war
mit Fanny sehr befreundet und besuchte ihre Empfänge
oft mit seiner Gattin. Auch als die Hoffnungen geschwunden,
der Glanz der Emanzipation vorbei und die Akzeptanz der
Juden unerfüllt geblieben waren, hielten ihr die Sonnenfels
die Treue, wahre Freunde auch im fahlen Sonnenuntergang - und
das, obwohl Fanny immer wie ein Fels in der Brandung an
ihrem Stamme festhielt wie nur ganz wenige aus den Kreisen
der emanzipierten Juden, einschließlich der Kinder
und Nachfahren des großen Mendelssohn, die, kaum
war er verstorben, sich alle taufen ließen. Aber
das Wiener Volk führte penibel Buch und wusste bis
hinauf in die Nazizeit, wer alles jüdisches Blut in
seinen Adern hatte. Joseph von Sonnenfels: Schöpfer
des Straßenlichtes und Abschaffer der Tortur, für
die Kaiserin ein treuer und unvergleichlicher Diener des
Reichs, für Josef II. ein Logenbruder, für die
Juden ein Abtrünniger - für die Wiener aber ganz
einfach der "Nikolsburger Jude" .
Sein Standbild zeigt, wie er mit dem Fuße die Instrumente
der Marter zertritt. Zuerst befand es sich auf der später
abgerissenen Elisabeth-Brücke und dann auf dem Rathausplatz,
kurioserweise dort aufgestellt unter Bürgermeister
Karl Lueger, was die Nazis nicht hinderte, es sofort zu
entfernen und durch die Statue von Christoph Willibald
Gluck zu ersetzen. Joseph von Sonnenfels, der Nikolsburger
Jude, kam jedoch nach 1945 wieder dort auf sein Podest
zurück.
Quelle: jüdisches Echo |