Am 27. Jänner 1964 teilte Friedrich Torberg seiner in Israel lebenden Schwester Ilse in einem Brief mit, dass er nach Breitenfurt bei Wien übersiedelt sei. Er hätte seine bisherige Wohnung in zentraler Lage, Wien 4., Brucknerstraße 2, aufgegeben, weil das Mietshaus neue Besitzer bekam und diese ihn "draußen haben wollten". Zwar hätte Torberg "mietergeschützt, wie ich bin, nicht hinaus müssen", doch boten ihm die Hausherren eine Ablösesumme in Höhe von 200 000 Schilling, die ihm verlockend erschien.
Die Annahme des Geldes entpuppte sich als schwerer Fehler. "Ich hätte den Käufern sagen müssen: "Meine Herren, entweder Sie verschaffen mir eine gleichwertige Wohnung in gleichwertiger Lage, oder Sie zahlen mir eine halbe Million Ablöse, damit ich mir eine solche Wohnung verschaffen kann, oder ich verweise Sie auf das noch immer nicht gänzlich erforschte Gebiet des Arschleckens und bleibe in der Brucknerstraße". Das hätte ich sagen müssen, habe es aber, geblendet von den 200 000 Schilling, nicht gesagt -und als ich draufkam, dass ich der Hereingelegte bin, war es schon zu spät."
Dem prominenten Schriftsteller erging es somit nicht anders als vielen Herbergssuchenden. Er studierte Inserate, kontaktierte Immobilienbüros, besichtigte ein Dutzend Wohnungen "und musste entdecken, dass ich im Laufe der Jahre doch ein recht heikler Patron geworden bin: die Wohnung sollte "draußen" sein, und wenn schon draußen, dann auch wirklich "im Grünen", einerseits vollkommen ruhig und anderseits nicht zu entlegen, auch nicht höher als im 1. Stock (weil ich kein bedeutender Stiegensteiger mehr bin), sie sollte ganz bestimmte Stückeln spielen, auf die ich nicht mehr verzichten will -und was soll ich Dir sagen: die einzige Wohnung, die als solche in Betracht gekommen wäre, lag pünktlich in einer Gegend, die ich nicht schmecken kann, nämlich zwischen Hietzing und Lainz."
Torberg suchte nach einer anderen Lösung. "Unter diesen Umständen begann ein Floh, den mir irgendjemand ins Ohr gesetzt hatte, immer mehr an Raum zu gewinnen. Der Floh hieß Fertigteilhaus. Ich ließ mir also, nachdem ich auf einer diesbezüglichen Ausstellung das Modell gesehen und für gut befunden hatte, einen Kostenvoranschlag machen. Er belief sich für das sog. "schlüsselfertige" Haus auf rund 300 000 Schilling. Und jetzt beginnt die Machlojke (jiddisch: Betrug, Schwindel ) im Sinne von Katastrophe."
Ausgerechnet der große Sprachkünstler war Opfer eines sprachlichen Missverständnisses geworden. "Ich hatte mir unter "schlüsselfertig" ein Haus vorgestellt, in das man dann nur noch die Möbel hineinzustellen braucht, alles andre ist schon da. Ka Spur. Es ist nichts da, kein Wasserhahn, keine Abortmuschel, keine Badewanne - nur die dazugehörigen Abflusslöcher, ebenso wie die Löcher für die elektrischen Kontakte, die Heizkörper, etc. Alles, was zu diesen Löchern gehört, muss man erst kaufen und installieren lassen, selbstverständlich nachdem man beim Wasserwerk, beim Elektrizitätswerk und bei vielen
anderen Werken dafür gezahlt hat, dass man die solcherart installierten Installationen auch tatsächlich gebrauchen darf. Kurz und klein: bevor man überhaupt mitn Wohnen anfangen kann, hat das Haus die runde halbe Million gekostet, die man als Ablöse hätte bekommen müssen, aber nicht bekommen hat, so dass man mit einer Schuldenlast von 200 000 Schilling zu wohnen anfängt."
Als besondere Pikanterie empfand es Torberg, "dass der Grund, auf dem das Haus steht, gar nicht mir gehört, weil ich das Geld zum Ankauf eines Grundstückes a priori und selbst bei allergrößter Schuldenbereitschaft nicht hätte aufbringen können". Da erwies sich als günstig, dass sein Freund Gerhard Bronner ihm den Obstgarten seines Anwesens in Breitenfurt zur Verfügung stellte, um darin sein Fertigteilhaus aufzustellen.
Torberg nahm das Angebot an und wohnte von da ab im Eigentumshaus auf fremdem Grund, womit er sich "in der originellen Lage befand, zwar ein Dach überm Kopf, aber keinen Boden unter den Füßen zu haben".
(Quelle: Markus) |