Kokoschka "wohnt" bei Bruno Kreisky
Der Maler Oskar Kokoschka (1886 - 1980) war,
als die Nazis seine Kunst für „entartet“ erklärten,
nach London geflüchtet und hatte damit automatisch
die österreichische (beziehungsweise deutsche) Staatsbürgerschaft
verloren.
Als er nach dem Krieg wieder Österreicher
werden wollte, teilte man dem inzwischen weltberühmt
gewordenen Maler mit, dass die Rückgabe der Staatsbürgerschaft
nur dann möglich sei, wenn man in Österreich
einen ordentlichen Wohnsitz hätte. Und den hatte der
nun in der Schweiz lebende Kokoschka nicht. Er weigerte
sich auch, eine Wohnung zu mieten oder einen Antrag auf
Einbürgerung zu stellen, weil er es als unwürdig
empfand, um etwas bitten zu müssen, was man ihm 1938
geraubt hatte.
Der Bundeskanzler erfuhr davon und suchte
einen Ausweg. Er fand ihn, indem er die „Lex Kokoschka“,
wie er sein Vorgehen selbst nannte, schuf. Und so füllte
Kreisky am 4. März 1974 persönlich einen Meldezettel
aus, lautend auf den Namen Oskar Kokoschka. Als Adresse
gab der Regierungschef seine eigene Privatanschrift, Armbrustergasse
Nr. 15, an.
Und wirklich, wenige Tage später wurden
dem Künstler die Dokumente zur Verleihung der österreichischen
Staatsbürgerschaft zugestellt. Kokoschka war wieder Österreicher.
Der geschäftstüchtige Großvater
Kreiskys Großvater war als sehr geschäftstüchtig
bekannt. Sein Haus lag in Trebitsch, nahe dem Schloss des
Grafen Waldstein. Bruno Kreisky: " Die alte Gräfin
Waldstein hat mir einmal erzählt, dass ihr Vater,
der Graf, Leute auf einem Turm postiert hatte, die ihm
mitteilen mussten, wann mein Großvater zu seinem
abendlichen Spaziergang sein Haus verließ. Dann hat
er sich aufgemacht, um ihm "zufällig" zu
begegnen, weil er wissen wollte, wie die Kurse an der Börse
in Prag notierten." Kreisky und der Adel
Bruno Kreisky war der Meinung, man hätte beim Abschaffen
des Adels 1918, den selben weg gehen hätte sollen
wie Deutschland, nämlich dass der Titel als Teil des
namens bestehen bleiben konnte.
Eines Tages betrat einer von Kreiskys Sekretären
im Bundeskanzleramt - er hieß Lukas Beroldingen und
stammte aus einer ehemals gräflichen Familie - das
Büro des Kanzlers und teilte ihm mit: „Herr
Bundeskanzler, heut Nachmittag ist der Karl Schwarzenberg
zu einem Besuch bei dir angemeldet. Ich möchte dich,
weil du ihn immer als >Prinz Schwarzenberg< ansprichst,
darauf aufmerksam machen, dass sein Onkel Josef, der Chef
des Hauses Schwarzenberg, vorgestern verstorben ist. Damit
hat Karl seine Stellung als Oberhaupt der Familie übernommen,
er trägt also jetzt den Titel >Fürst<.“ Kreisky
hörte sich den Hinweis in aller Ruhe an und brummte: „Für
mich bleibt er Prinz!"
Georg Markus bei Kreiskys Begräbnis
Während Kreiskys Begräbnis stand der österreichische
Journalist Georg Markus als Berichterstatter am Grab des
früheren „Sonnenkönigs“, und ihm
fiel ein, wie Kreisky ihm einmal erzählt hatte, dass
er als Fünfjähriger auf der Mariahilfer Straße
im Spalier gestanden war, als der Leichnam Kaiser Franz
Josephs an ihm vorbeizog. „Es war ein eiskalter,
grausiger Herbsttag, und wir froren entsetzlich“,
hatte er sich an diesen, für die österreichisch-ungarische
Monarchie denkwürdigen Tag erinnert. Und jetzt, ein
Dreivierteljahrhundert später, verabschiedete sich
die Republik von ihrem längstdienenden Regierungschef.
Diesmal war's ein kühler, regnerischer Sommertag.
Kreisky und die Beistriche
Der spätere Bundeskanzler war in jungen Jahren neben
dem Studium als freiberuflicher Journalist tätig.
Eines Tages wurde Kreisky vom Korrektor vorgeworfen, dass
er es mit der Interpunktion nicht allzu genau nähme.
Worauf Kreisky, als er wieder einmal ein Manuskript in
die Setzerei brachte, eine voll beschriebene Seite beilegte,
auf der sich nur Beistriche befanden. Dann sagte er zum
Korrektor: „Da haben S' einen Haufen Beistriche.
Machen S' damit, was Sie wollen!“
Staatsbesuch mit nur einem Zylinder
Kanzler Leopold Figl und Vizekanzler Adolf Schärf
trafen 1950 zu einem Staatsbesuch in Stockholm ein, auf
dem sie ein junger Legationsrat namens Bruno Kreisky begleitete.
Keiner der Herren hatte daran gedacht, einen Zylinder mitzunehmen,
der aber bei einem abendlichen Empfang beim schwedischen
König unabdingbar ist. In letzter Minute ließ sich
an Ort und Stelle ein Hut auftreiben. Doch er passte nur
Kreisky, dem rangniedrigsten Delegationsmitglied. Die Lösung
des Problems kann als „österreichisch“ bezeichnet
werden: FigI betrat den Audienzsaal mit dem Zylinder in
der Hand. Er übergab ihn in einem unbemerkten Augenblick
an Schärf, der ihn wiederum nach einigen Minuten an
Kreisky weiterreichte. Dieser konnte ihn dann protokollgemäß aufsetzen,
als die drei Herren den Königspalast verließen
...
Kreisky
und Molotow Während eines Gesprächs bei der Berliner Außenministerkonferenz
1954 debattierte Staatssekretär Bruno Kreisky mit
dem sowjetischen Außenminister Molotow lange und
ausführlich über die Schriften Lenins. Molotow
zeigte sich verblüfft, wie gut Kreisky über den
Sowjetgründer informiert war. „Warum sind Sie
bei den Sozialdemokraten gelandet und nicht bei uns, wenn
Sie so viel von Lenin gelesen haben?“ „Eben
deshalb“, konterte Kreisky.
▲ Der rote Salon im Hotel Sacher
Horst Ehmke, Vorstandsmitglied der SPD, kam 1970 nach
Wien, um der Schwesterpartei zu ihrem Wahlsieg zu gratulieren.
Kreisky bat ihn zu einem Frühstück ins Hotel
Sacher, wo Ehmke beeindruckt feststellte: „Schöne
Sozialisten, die im Sacher sitzen!“ Da replizierte
Kreisky: „Naja, immerhin sitzen wir hier im Roten
Salon.“
Opernfrack: eine Rache der Geschichte
Obwohl Bruno Kreisky alles andere als ein begeisterter
Ballbesucher war, fühlte er sich verpflichtet, als
Regierungschef am wichtigsten gesellschaftlichen Ereignis
des Jahres teilzunehmen. Beim Opernball 1972 wurde er vom
ORF-Reporter Heinz Fischer-Karwin gefragt, wie er es als
früherer Revolutionär mit seiner politischen
Gesinnung vereinbaren könnte, in der Oper Hof zu halten.
Kreiskys Antwort: „Dass junge Revolutionäre
im Alter mit Frack und Orden herumgehen, scheint die Rache
der Geschichte zu sein.“
Kärntner Ortstafelstreit
Als in Kärnten ein „Ortstafelkrieg“ ausbrach,
weil slowenische Organisationen die Aufstellung zweisprachiger
Ortstafeln in 200 Gemeinden verlangten, erklärte Kreisky: „Bisher
haben sie auch heimgefunden, obwohl es keine slowenischen
Ortstafeln gab.“
Der Sohn demonstriert gegen den Vater
Linke Studenten protestierten, als Kreisky den amerikanischen
Präsidenten Richard Nixon in Salzburg empfing. Unter
den Demonstranten befand sich Peter Kreisky, der Sohn des
Bundeskanzlers. Bruno Kreiskys Kommentar nach dem Ministerrat: „Man
kann nicht oft genug sagen, dass Sozialisten niemals mit
Kommunisten demonstrieren dürfen, gleich, um welche
Sache es geht. Die meisten Jungen sehen des eh ein, wenn
sie dann älter werden. Nur meine eigene Familie tut
sich da schwer.“
.. so ein kleiner Guillaume ..
Deutschlands Bundeskanzler Willy Brandt trat zurück,
als bekannt wurde, dass sein Sekretär Günter
Guillaume Spionage für die DDR betrieben hatte. Etwas
später ärgerte sich Bruno Kreisky während
einer längeren Autofahrt über tausend Kleinigkeiten. „Ich
plag mich jeden Tag“, brummte er, „obwohl doch
alles ganz einfach wäre: So ein kleiner Guillaume
in meiner Umgebung und ich könnt mir das alles sparen!“
tschechische Verwandtschaft
Die tschechischen Wurzeln vieler Osterreicher
gaben Bruno Kreisky, dessen Vorfahren aus Mähren stammten,
Gelegenheit zu einer Pointe, die er 1976, während
eines Staatsbesuchs in Prag, losließ. Als er seine
Gastgeber zur Gegenvisite nach Wien einlud und anfügte, „die
Herren mögen
mitbringen, wen immer sie wollen“, fragte ein Funktionär: „Werden
Sie denn in Wien genug Hotelbetten haben?“ Kreiskys
Antwort: „Das geht schon, die können doch alle
bei Verwandten wohnen. "
▲ Fußball-WM
78
Als er erfuhr, dass Osterreich bei der Fußball-WM
'78 in einer Gruppe mit Holland, Schweden, Spanien und
Brasilien spielen würde, überlegte Kreisky kurz
und meinte dann: „Holland is' a Monarchie, Schweden
is' a Monarchie, Spanien is' a Monarchie — was macht
eigentlich Brasilien in unserer Gruppe?“
Dass Österreich in seiner Zeit eine war - das stand für den Sonnenkönig
sowieso fest.
Kreiskys Pensionsregelung
Kreisky war es auch, der einst ins Statut der Sozialistischen
Partei eine Altersklausel setzen ließ, der zufolge
Funktionäre mit 65 in den Ruhestand zu treten hätten.
Als man den 67-Jährigen daran erinnerte, sagte er: „Immerhin
haben die Kardinäle erst kürzlich einen Mann
meines Alters zum Papst gewählt.“
Kreiskys Enkel
Als der noch in Amt und Würden befindliche, schon über
70-jährige Kreisky seinen fünfjährigen Enkel
Oliver fragte, was er werden wollte, wenn er einmal erwachsen
sei, antwortete der Bub: „Bundeskanzler.“ Da
erwiderte der Großpapa: „Das geht leider nicht.
In Österreich gibt es nur einen Bundeskanzler.“
Kreisky und die Journalisten
Während des Nationalratswahlkampfs 1979 nahm Kreisky einen innenpolitischen
Zeitungsjournalisten beiseite und sagt zu ihm: „Ihre Drei-Mann-Redaktion
weist einen eigenartigen Pluralismus auf. Einer schreibt für die ÖVP,
der andere für die FPÖ, und Sie schreiben gegen die SPÖ.“ „Was heißt Schlapfen auf Englisch?“
Bruno Kreisky kam, als Regierungschef schon in Pension,
zu einem Kongress nach Washington. Thomas Klestil, Osterreichs
damaliger Botschafter in den USA, holte ihn vom Flughafen
ab und begleitete ihn, vom Chauffeur der Botschaft gefahren,
in sein Hotel. Als Kreisky unterwegs eine Filiale der englischen
Firma Burberry entdeckte, bat er den Fahrer, kurz anzuhalten.
Der Altkanzler stieg aus dem Wagen, holte einen Plastiksack aus dem Kofferraum
und betrat, gemeinsam mit Klestil, das Geschäft. An der Türe fragte
Kreisky den Botschafter noch schnell: „Sag, was heißt Schlapfen
auf Englisch?“
Klestil flüsterte ihm in korrekter Übersetzung das Wort Slippers
zu, worauf Kreisky aus dem mitgebrachten Plastiksack ein Paar Hausschuhe hervorholte
und zum Verkäufer sagte: „Ich habe vor einiger Zeit in Ihrer Filiale
in London diese Schlapfen — these slippers — gekauft. Leider sind
sie zu groß, könnten Sie sie umtauschen?“
In dem Geschäft herrschte sogleich rege Betriebsamkeit, im Zuge derer
man sich redlich bemühte, dem alten Herrn verschiedenste Größen
desselben Modells vorzuführen.
Kreisky probierte eine ganze Reihe von Hausschuhen, betrachtete sie vor dem
Spiegel, prüfte ihre Passform, ging mit ihnen auf und ab. Und brummte
nach einem guten Dutzend derartiger Versuche: „So, die da passen — these
slippers fit!"
Worauf der Verkäufer entgegnete: „Sir, das sind die Hausschuhe,
die Sie mitgebracht haben!“
Erdbeben in Friaul
Bundeskanzler Franz Vranitzky begleitete
seinen Vorvorgänger
Kreisky in die italienische Region Friaul, die sich damals
noch nicht von dem schrecklichen Erdbeben des Jahres 1976
erholt hatte. Die österreichische Bundesregierung
hatte als Wiederaufbauhilfe zehn Häuser gespendet,
deren offizielle Übergabe nun erfolgen sollte. Als
die Regierungsdelegation mit dem Altkanzler dort ankam,
stand der Bevölkerung die große Liebe zu Österreich
ins Gesicht geschrieben, es gab sogar Demonstranten, die
Friauls Rückkehr zu Österreich forderten. Kreisky
wurde gefragt, warum seiner Meinung nach so viele Italiener
zu Osterreich wollten.
„Wahrscheinlich“, brummte der Altkanzler, „weil's in Osterreich
keine Erdbeben gibt!"
▲ Österreichs größter Showmaster
Der
Conférencier Heinz Conrads (1913 - 1986)
wurde in Anwesenheit zahlreicher Ehrengäste
im Wiener Funkhaus für seine 25-jährige Tätigkeit
im Rundfunk geehrt. Unter tosendem Applaus streifte ihm
Generalintendant Gerd Bacher einen Lorbeerkranz übers
Haupt. Heinz Conrads bedankte sich mit einer kleinen Rede
und stieg dann die Stufen der Bühne hinunter. Er
legte den Kranz ab, ging in die erste Reihe und stülpte
diesen dem anwesenden Bundeskanzler Kreisky über.
Auf der Schleife des Kranzes standen nämlich die Worte:
" Österreichs
größtem Showmaster."
Im Gefängnis
Der Kabarettist Fritz Grünbaum wurde von der Gestapo
verhaftet und in ein Gefängnis in der Wiener Karajangasse
gesteckt, in dem er Zellennachbar Bruno Kreiskys war.
Die Gefangenen mussten im Hof der berüchtigten Strafanstalt
den ganzen Tag im Kreis gehen. Flüsterte Grünbaum
nach etlichen Runden zu Bruno Kreisky: "Und die draußen
glauben, wir sitzen!"
Bundespräsidentenwahl
Außenminister Rudolf Kirchschläger wurde 1974,
nach dem Tod von Franz Jonas, von der SPÖ als Bundespräsidentschaftskandidat
nominiert. Bei einer Wahlversammlung sprach Bruno Kreisky
viele Themen an - ohne den Namen Kirchschläger auch
nur zu erwähnen.
Am Ende seiner Rede sagte der Kanzler dann: "Ich
konnte mir ersparen, für einen der beiden Kandidaten
zu werben. Sie wissen ohnedies, für wen ich bin."
Gott schütze Österreich!
Als Bruno Kreisky dem Brigadier Karl Lütgendorf 1971
mitteilte, dass er ihn zum Verteidigungsminister ernennen
werde, informierte dieser sofort seinen Vater, den pensionierten
General Kasimir von Lütgendorf.
Die knappe Reaktion des alten Herrn mutet prophetisch an:
"Gott schütze Österreich!"
Lütgendorf
musste später, 1977, im Zusammenhang mit
illegalen Waffengeschäften zurücktreten. Er beging
1981 Selbstmord.
Minderheitsregierung
Als Bruno Kreisky bei den Nationalratswahlen
1970 die relative Mehrheit errang und eine Minderheitsregierung
bildete, blieb sein Vorgänger Bruno Pittermann vorerst
Obmann des Parlamentsklubs. Nach Installierung des Kabinetts
meinte der neue Kanzler Kreisky einem Besucher gegenüber: "Ich
hab dem Pittermann gesagt, dass er mit dem sozialistischen
Parlamentsklub alles tun darf, was er will - nur nicht
aus Gewohnheit wie bisher gegen die Regierung Opposition
machen."
Kaiserin Zita
Als die 90-jährige Ex-Kaiserin nach langen, im Exil
verbrachten Jahren kundtat, dass es ihr Herzenswunsch wäre,
einmal noch nach Österreich zu kommen - ohne aber
deshalb auf ihren Thronanspruch verzichten zu wollen -,
schlug Bruno Kreisky eine "österreichische Lösung" vor: "Also
gut", sagte der Kanzler, "wir geben ihr a Durchreisevisum.
Und kaner wird nachschauen, ob's a dobleibt."
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