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Augustinerkirche, Wandgrab
(Kenotaph) an der rechten Seitenwand |
Christine stirbt - Canova
kommt nach Wien
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Erzherzogin Marie Christine, die Lieblingstochter
von Kaiserin Maria Theresia, war im Juni
des Jahres 1798 im Alter von 56 Jahren auf tragische
Weise (bakterielle Infektion durch verunreinigtes
Wasser) gestorben. Einen Monat später
kam Antonio Canova nach Wien.
Er war gekommen um sich die Fortzahlung seiner
Staatspension zu sichern. Diese stand ihm von der
Republik Venedig zu, und Kaiser Franz II/I war
dafür zuständig, seit Venezien 1797 an Österreich
gefallen war. Canova hat wohl nicht damit gerechnet vom Schmerz
gepeinigten Herzog Albert von Sachsen-Teschen (1738
- 1822) einen Auftrag für ein Grabmal für
seine über alles geliebte verstorbene Gattin
Marie Christine zu erhalten. |
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Grabmal Beschreibung
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Das flache Pyramidengrab aus feinstem Carrara-Marmor ist fünf Meter hoch. Es ist in Form und Inhalt ganz dem Klassizismus verpflichtet. |
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Die Denkweise der Aufklärung kümmert
sich nicht mehr um Verdammnis, Erlösung und
um die Schreckensgestalt des Todes.
Der Figurenschmuck
des klassizistischen Grabmales hat einzig den
Zweck, den Verstorbenen zu portraitieren und
seine Tugenden aufzuzeigen. Der Tod wurde in der Antike nicht als erschreckender
Knochenmann (vielleicht auch noch mit Sense
und Sanduhr in der Hand!) dargestellt, wie
es dann später beim barocken Pathos üblich
war.
Vielmehr interpretierte man den Tod als "ewigen
traumlosen Schlaf",
der hier im schlafenden Totengenius zum Tragen
kommt (rechte Figur mit Flügeln)
.
Auch wird der Tote nicht hinauf ins Licht
geführt wie bei den Auferstehungsfresken über
barocken Grabmalen, sondern er schreitet über
eine Türschwelle hinein ins Jenseits, ins
Unbekannte, Dunkle hinein. Die Tür ist ein
in fast allen Grabmalen Canovas vorhandenes Element.
Hier hängt hinter dem Marmorportal ein schwarzer
Vorhang. |
flaches Pyramidengrab, 5 Meter hoch |
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Medaillon mit Schlange
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Der Genius der Glückseligkeit trägt ein Medaillon mit dem Bildnis von Erzherzogin Marie Christine.
Inschrift: Maria Christina Austriaca (ich nenne sie trotzdem Marie Christine, Anm.)
Begrenzt wird das Medaillon von einer Schlange, die sich
selbst in den Schwanz beißt: ein Symbol der Ewigkeit
(der Kreis hat keinen Anfang und kein Ende) und auch der
Auferstehung (Häutung
der Schlange, sie wird neu geboren). |
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Caritas und Allegorie der Tugend
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Die Wohltätigkeit, die hervorstechenste
Tugend von Marie Christine, wird durch eine Frauenfigur
dargestellt, der Caritas (Nächstenliebe).
Diese führt einen blinden Greis am Arm. In
einem Entwurf Canovas wurde er durch eine Lanze
als Kriegsveteran gekennzeichnet. Doch dies lehnte
Albert ab mit den Worten: "Ich habe aber Gründe,
die mich bestimmen, keine Militärperson in
diese Komposition einzufügen." Möglicherweise
war für diesen Entschluss die eigene nicht
gerade erfolgreiche militärische Karriere
Herzog Alberts maßgebend? |
Von Trauer gebeugt trägt die Allegorie der
Tugend die Urne in das Grab. Sie wird begleitet
von Mädchen mit Todesfackeln - auch Sturzfackeln
genannt - als Sinnbild für das verlöschende Leben.
Die Pyramide mit der offenen Grabestür, auf die sich ein Trauerzug zubewegt - ohne barocken Jenseitsbezug und ohne Apotheose der Verstorbenen - war grundlegend neu.
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Löwe: Stärke
Genius: eheliche Zärtlichkeit
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Da die Allegorie der Stärke, ebenfalls eine
der charakteristischen Tugenden Marie Christines,
durch das vorhandene Figurenrepertoire nicht mehr
zu besetzen war, wurde sie durch die Einfügung
des Löwen rechts vom Tor ausgedrückt.
Der Jüngling (Todesgenius) charakterisiert
nunmehr Herzog Albert und beide zusammen die eheliche
Zärtlichkeit. Hinter dem Löwen lehnt
das Habsburger-Wappen, unter dem Knie des Todesgenius
liegt das Wappen von Herzog Albert von Sachsen-Teschen. |
enorme Kosten
- Kenotaph
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Inschrift: Uxori Optimae Albertus - Der besten Gattin von Albert
Herzog Albert war reich. Sehr reich. Doch auch
er konnte die immens hohe Summe nicht im Ganzen
aufbringen, daher suchte er bei Canova um Ratenzahlung
an. Kosten: 16 000 venezianische Zechinen
(1 Zechine = 1 Dukaten), plus 2000 Zechinen für
Transport und Aufstellung (anderer Quelle zufolge
85 000 Gulden).
Die
Errichtung und Zusammensetzung des Denkmales
dauerte einige Monate und erfolgte unter der
Aufsicht Canovas. Er war auch bei der Enthüllung
im Herbst 1805 persönlich
anwesend und reiste aus Wien ab, noch bevor die
französischen Truppen unter Murat Wien besetzten.
So wie die meisten anderen Habsburger ist Marie
Christine in der Kapuzinergruft bestattet. Dort
hätte Canovas Werk keinen Platz gehabt,
so wurde es hier in der Augustinerkirche, rechts
vom Eingang, an der Wand angebracht. Daher spricht
man auch von einem Kenotaph (=griech. leer) -
ein Grabdenkmal. Der schwarze Vorhang, der hier
eine Tür zu einer Grabkammer andeutet, führt
nur zu einem langen, schmalen Gang, der vorne
beim Zugang zur Herzlgruft endet. |
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Die Scheintür
führt zu einem langen Gang. |
Grabtempel in
der Natur
Während der Arbeiten am Denkmal
gab es ursprünglich Vorschläge von Canova,
einen attraktiveren Aufstellungsort als die Augustinerkirche
zu finden, um dadurch dem künstlerischen Anspruch
des Werkes besser zu entsprechen.
Daher veranlasste er 1803 Pietro Nobile (der damals
Stipendiat in Rom war) Entwürfe für einen
Grabtempel zu machen, der zur Aufstellung in einem
Park - etwa dem Augarten bestimmt gewesen wäre
(Nobile entwarf später für Canova auch
den Theseustempel im Volksgarten für dessen
Theseusgruppe). |
Diese Idee lag durchaus im Trend der Zeit (der
Romantik), gab es doch in Wien und Umgebung einige
Beispiele für Grabmale in der freien Natur:
- Feldmarschall Graf Lacy in Neuwaldegg,
- Graf Cobenzl auf dem Reisenberg,
- Graf Fries in Vöslau, Graf Sinzendorf
in Ernstbrunn, der
- Hofjuwelier Ritter von Mack in Kalksburg,
- Freiherr von Braun in Schönau und der
- Bankier Geymüller in Pötzleinsdorf,
um einige zu nennen.
Aber Herzog Albert lehnte diesen Vorschlag Canovas
ab. |
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Feldmarschall Laudon, Hadersdorf |
Grabmal Modell
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Gipsmodell Grabmal Marie-Christine
in der Gipsothek, Possagno, Italien
(Museum im Geburtsort Canovas mit all seinen Gipsmodellen) |
Tizians Grabmal
- Entwurf
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Der
Bildhauer Canova hatte bei dem Grabmal für
Marie Christine auf einen seiner früheren
Entwürfe zurückgegriffen: Schon 1790
hatte ihn Cavalier Zulian, ein venezianischer
Adeliger, beauftragt ein Denkmal "Zu Ehren des
Tizian" für die Kirche dei Frari in
Venedig zu entwerfen.
Der Entwurf sah ein pyramidenförmiges Grabmal vor, auf dessen Vorderseite das Portrait des Malers als Relief gemeißelt war.
Am Eingang stellte Canova die personifizierte Malerei dar, gefolgt von der Bildhauerei und der Architektur. Auf der anderen Seite des Eingangs war ein trauernder Engel angebracht.
Wegen des plötzlichen Todes des Auftraggebers kam es jedoch nicht zur Ausführung
dieses Auftrages.
Doch
beim Auftrag von Herzog Albrecht hatte Canova
nun Gelegenheit seine Idee mit entsprechend veränderter
Allegorik auszuführen. |
Modell für ein Denkmal "Zu Ehren des Tizian",
nicht ausgeführt |
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Grabdenkmal Antonio
Canova in Venedig
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Nach Canovas Tod fertigten seine Schüler
für ihn ein Grabdenkmal an: In gleicher
Form und mit wieder abgewandelten
Figurenprogramm.
Es fand seinen
Platz gegenüber dem Tizian-Denkmal in der
Frari Kirche in Venedig.
Begraben liegt Canova in
seinem Heimatort Possagno, in einem von ihm entworfenen
Tempio: ein Miniaturmix von Partheon und Pantheon
(Foto unten). |
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Grabdenkmal Antonio Canova in der Frari Kirche, Venedig |
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Grabdenkmal Antonio Canova in der Frari Kirche, Venedig |
Grabstätte
von Antonio Canova
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Tempio Canoviano in Passagno, Grab Canovas |
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