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evangelische Ehrengräber Tor 4
Zentralfriedhof

Egon Friedell
Schriftsteller, 1878 - 1938

Egon Friedell
Schriftsteller, 21.1.1878 - 16.3.1938

Zentralfriedhof, Tor 4, Gruppe 9, Reihe 1, Nr. 29

Lageplan Tor 4

 

Egon Friedell, eigentlich Egon Friedmann, geboren in Wien, war das dritte Kind des jüdischen Seidenfabrikanten Moriz Friedmann und Karoline Fisenberger.

Die Ehe der Eltern wurde 1887 geschieden, die Mutter verließ die Familie. Nach dem Tod des Vaters lebte Egon bei seiner Tante.

Er musste häufig die Schule wechseln, galt als unerträglicher Störenfried und Querdenker. Mit Ach und Krach maturierte er 1899 in Heidelberg.

Schon mit 18 Jahren war er in Berlin als Gasthörer für Germanistik, Naturwissenschaften und Philosophie eingeschrieben.

 
Von 1900 bis 1904 studierte Friedell in Wien Philosophie. Er promovierte 1904 mit einer Dissertation über »Novalis als Philosoph«. In den folgenden Jahren entwickelte sich Friedell zum bunten Vogel und zum Universalgenie: Er war Schriftsteller, Essayist, Kritiker, Journalist, Schauspieler, Kommentator, Übersetzer, Kabarettist usw.

1897 konvertierte er zum Evangelisch-Lutherischen Glauben. Gründe für diese Konversion sind nicht bekannt.
1916 änderte er seinen Namen von Friedmann in Friedell.

Als er künstlerischer Leiter des Kabaretts Fledermaus wurde, kommentierte dies .Felix Salten, Vater von »Bambi« und der »Josefine Mutzenbacher«, : »Da stand nun Egon Friedell, Doktor der Philosophie, Hofnarr des Publikums und, wie die meisten Hofnarren, dem Gebieter weit überlegen.«

Am 1. Jänner 1908 wird in der Fledermaus "Goethe im Examen" uraufgeführt. Diesen Sketch hat Friedell gemeinsam mit Alfred Polgar verfasst und er gehört zum Großartigsten, das je für eine literarischsatirische Bühne geschrieben worden ist. Damit wird Friedell im deutschsprachigen Raum rasch berühmt.

Das Stück war in Wien ein Dauererfolg, ein kabarettistisches Glanzstück, das die professorale Stoffhuberei und das Bildungsbürgertum geistreich aufs Korn nahm.

Stets spielte er in dem Sketch die Titelfigur, dreißig Jahre lang, zum letzten Mal am 7. Februar 1938 im Theater an der Wien, wenige Wochen vor seinen Tod.

 
   

Sein Tod war grausam und genauso trostlos wie der Tod vieler Wienerinnen und Wiener, die sich in den Tagen des »Anschlusses« umgebracht haben. Friedell war seelisch bereit, er wusste, was er tun wollte und ließ sich nicht zur Flucht überreden.

Bis zuletzt hatte der Kulturhistoriker, Essayist, Kabarettist und Schauspieler Egon Friedell recte Friedmann, Sohn eines jüdischen Tuchfabrikanten, fest geglaubt, die "neuen Herren" könnten ihm, dem "deutschen Schriftsteller", nichts anhaben.

Weder Alfred Polgar, der ihm zur Flucht verhelfen, noch Franz Theodor Csokor, der ihn nach Polen mitnehmen wollte, vermochten ihn vom Ernst der Lage zu überzeugen.

Briefmarke 1970
 

Einfach seine Wohnung aufgeben - und mit ihr die Riesenbibliothek, die Manuskriptstöße, sein Lebenswerk?

Ausgeschlossen. Auch Berta Zuckerkandl, Tochter des Zeitungsverlegers Moritz Szeps und Gattin des Anatomen Emil Zuckerkandl, die noch am Tag des Anschlusses, begleitet von dem französischen Schriftsteller Paul Geraldy und Paul Clemenceau, dem Bruder des französischen Staatsmannes, bis ins Detail die gemeinsame Flucht vorbereitet hatte, verließ das Haus Gentzgasse 7 unverrichteter Dinge.

Egon Friedell war nicht dazu zu bewegen, sich den dreien anzuschließen; der für ihn freigehaltene Platz im vorm Haus wartenden Diplomatenwagen blieb unbesetzt.

 
Am 16. März 1938 läuteten die beiden jungen SA-Leute, gegen 10 Uhr abends bei Friedell Sturm.

Sie gaben als Verhaftungsgrund an, Friedell habe - wie es später gerüchteweise hieß: von einem Geschäftsmann in der allernächsten Nachbarschaft wider besseres Wissen "vernadert" - vom Balkon seiner Wohnung aus auf eine Hakenkreuzfahne geschossen.

Während Friedells Haushälterin und Lebensgefährtin die gemeinsame Tochter und deren Mann zu retten versuchten, was zu retten war, verschwand Friedell im Wohnungsinneren, schloss hinter sich ab, lief ins Schlafzimmer, öffnete das Fenster und stürzte sich auf die Straße.

Wohnhaus Genzgasse
 

Der Notarzt und Dr. Pollak, der eilends herbeigerufene Hausarzt, konnten nur noch den Tod bestätigen - obwohl Friedell "bis auf eine Schramme an der Schläfe äußerlich völlig unverletzt" geblieben war. Das Herz - so der Befund - habe noch während des Sturzes versagt.

Dass dieser Selbstmord keine momentane Panikreaktion, sondern sein fester Vorsatz für den "Fall der Fälle" war, hat später Dorothea Zeemann bezeugt: Sowohl sie wie Freund Csokor habe er flehentlich um "Hilfe" angegangen: "Friedell kniete vor mir und bat mich, ihm Gift zu besorgen, er kniete vor Csokor und bat um einen Revolver." "Geh mit mir nach Polen", schlug ihm Csokor vor. Friedells Antwort: "Dort kommen sie auch hin, sie kommen überall hin. Unsere Welt ist am Ende. Es ist aus."

Csokor schreibt in einem Brief: "Im Stiegenhaus umarmten wir noch einander. Als ich den nächsten Tag anrief, erfuhr ich, bald nach unserem Abschied seien zwei Burschen bei ihm erschienen, ihn zum Straßen-waschen abzuholen. Er folgte ihnen aber nicht, sondern sprang durch das Fenster drei Stock in die Tiefe, im Sturze noch "Hallo" schreiend, damit unten die Passanten ausweichen mögen. So starb der Autor der in alle großen Sprachen übersetzten ,Kulturgeschichte der Neuzeit', als diese Kulturgeschichte zu Ende war."

1963 stiftete die Gesellschaft für Literatur an Friedells Sterbehaus in der Gentzgasse 7 eine Gedenktafel mit der Inschrift: "In diesem Hause lebte der österreichische Schriftsteller und Kulturhistoriker Egon Friedell (21.1.1878 - 16. 3. 1938) von 1911 bis zu seinem tragischen Tod."

1994 wurde die Tafel ersetzt und trägt nun folgende Inschrift: 'In diesem Hause lebte von 1900 - 1938 der österreichische Schriftsteller u. Kulturhistoriker Egon Friedell, geb. 21.1.1878. Hier sprang er am 16. 3. 1938 aus Furcht vor der Ergreifung durch die SA in den Tod."

In dem Buch 'Gedenken und Mahnen' steht: "Nach Angaben eines Neffen Egon Friedells beging der Schriftsteller nicht, wie bisher angenommen, Selbstmord, sondern stürzte, von uniformierten Nationalsozialisten tödlich verletzt, aus dem Fenster."

 

Quellen:

Gedenken und Mahnen in Wien 1934 - 1945
Gedenkstätten zu Widerstand und Verfolgung, Exil, Befreiung
Herbert Exenberger, Heinz Arnberger, Deuticke Verlag, 1998, ISBN 3-216-30330-6

Alte Häuser - Große Namen, Ein Wien-Buch
Dietmar Grieser, Verlag NÖ Presshaus, 1986, ISBN 3-85326-777-7

Vom Christbaum zur Ringstrasse, Evangelisches Wien,
Monika Salzer, Peter Karner, Picus Verlag, 2008, ISBN 978-3-85452-636-0