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Ehrengräber | Schuhmeier
Ehrengräber Ottakringer
Friedhof
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Schuhmeier Franz
Politiker,
1864 - 1913
Grabmal Künstler:
Siegfried Bauer, 1913
Material: Bronze
Friedhof Ottakring, Gruppe
14, Reihe 1, Nr. 1/2 |
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1900 Wahl von Schuhmeier in den Gemeinderat
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Im Jahre 1900 wurden zum ersten Mal zwei
Sozialdemokraten in den Gemeinderat gewählt - der
spätere erste
sozialdemokratische Bürgermeister Jakob Reumann in
Favoriten und der populäre Arbeiterführer Franz
Schuhmeier in Ottakring.
Der populäre Arbeiterführer,
der auf dem Grabmal lebensgroß, in der Pose des Volksredners
thront, war ein legenärer Rhetoriker.
Er wurde am 11. Oktober 1864 in der Wohnung seiner Eltern,
6., Hirschengasse 21, geboren, wuchs in Matzleinsdorf auf
und lebte seit seiner Heirat mit Cilli Ditz am 22. August
1886 in Ottakring. |
Harte Jugend
Zwei Episoden kennzeichnen die harte Jugend, die Franz
Schuhmeier als Sohn eines Bandmachergesellen und einer
Wäscherin erlebte.
Sein älterer Bruder Hansl
trug, wie viele Buben, für vier Kreuzer je Butte Wasser
in die Wohnungen. Im Alter von 13 Jahren stürzte er
mit einer vollen Wasserbutte so unglücklich, dass
er starb.
Schuhmeier hat diese Tragödie mehrmals erzählt,
um zu erklären, warum er den Kampf gegen die Kinderarbeit
zu einem seiner wichtigsten Anliegen gemacht hatte. |
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keine Bildungschancen
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Und das zweite prägende Erlebnis: Weil er ein hervorragender
Schüler war, verschaffte ihm der Lehrer einen Freiplatz
im Priesterseminar von St. Pölten, damals die seltene
Chance für einen armen Buben, eine höhere Schulbildung
zu erlangen.
Einzige Bedingung: er musste ordentlich mit
Kleidung und Wäsche ausgestattet sein. Das konnten
sich die Eltern nicht leisten, es wurde nichts aus dem
Priesterseminar. Schuhmeier war später immer besonders
um Bildungseinrichtungen für die Arbeiter bemüht.
Bei der Eröffnung der ersten Kinderbibliothek
in Ottakring im Jahre 1910 sagte er: "Wie ich die Kinder
sah und den Kinderchor hörte, da durchfluteten ganz
andere Gedanken mein Herz. Ich erinnerte mich der eigenen
freudlosen Jugend, leer, voll schwerer Arbeit schon vom siebenten
Lebensjahr an |
Franz Schuhmeier |
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Gründung Raucherklub Apollo
Schuhmeier begann den Beruf eines Ziseleurs zu lernen,
musste die Lehre jedoch wegen eines Augenleidens abbrechen.
Er wurde Hilfsarbeiter in der Buntpapierfabrik Goppold
und Schmidt in Gumpendorf. Dort kam er erstmals mit Sozialdemokraten
in Kontakt, in der Freizeit las er viel. 1886 gründete
er, den Rauchklub "Apollo" als getarnte sozialdemokratische
Organisation Ottakrings, wurde deshalb 1888 verhaftet und
zu 24 Stunden Arrest verurteilt. 1889, nach der Milderung
des Ausnahmezustandes, gründete er den Arbeiterbildungsverein "Apollo",
aus dem sich die sozialdemokratische Organisation Ottakring
entwickelte, deren unumstrittener Leiter er war.
Mitarbeiter der Arbeiter-Zeitung
1889 wurde Franz Schuhmeier nebenberuflich Mitarbeiter
der "Arbeiter-Zeitung", ab 1890 trat er als Redner in Großversammlungen
auf. Er war nach allen Schilderungen ein temperamentvoller,
mitreißender Redner, der im Dialekt der Wiener Vorstädte
sprach. 1891 gründete die niederösterreichische
Landesorganisation der Sozialdemokraten, zu der auch Wien
gehörte, eine eigene Zeitung, die "Volkstribüne".
Schuhmeier war zuerst ihr Verlagsleiter, dann Chefredakteur.
Er hat daraus ein sehr populäres Arbeiterblatt gemacht.
Aufstieg in der Partei
1896 wurde er auf dem Parteitag in Prag in die Parteivertretung
gewählt, 1896-1898 war er Reichsparteisekretär.
1900 wurde er einer der beiden ersten sozialdemokratischen
Gemeinderäte Wiens, 1901 auch einer der beiden ersten
sozialdemokratischen Reichs-ratsabgeordneten. 1910 wurde
er auch Abgeordneter im niederösterreichischen Landtag,
wobei er jenes Mandat eroberte, das durch den Tod Dr. Karl
Luegers freigeworden war.
Wie populär Schuhmeier über die Grenzen Ottakrings
hinaus war, zeigt sich darin, dass er bei der Reichsratswahl
1911 nicht nur von Ottakring, sondern auch von der Leopoldstadt
als Spitzenkandidat aufgestellt wurde.
politische Ziele
Franz Schuhmeier war der Schöpfer des ersten Kommunalprogramms
der Sozialdemokraten. Beim Entwurf dafür, den er beim
Parteitag im Jahre 1900 in Graz vorlegte, stellte er die
Wohnungsfrage in den Vordergrund und schuf damit bereits
die gedanklichen Grundlagen für das Wohnbauprogramm
der Stadt Wien in der Ersten Republik. Er verlangte außerdem
schon damals den Bau von Volksbädern, die Einführung
von Schulärzten und den Ausbau der Fürsorge.
Im Reichsrat setzte er sich vor allem für die Einführung
einer allgemeinen Altersversicherung und für Maßnahmen
zugunsten der Arbeitslosen ein. Er hielt aber auch viele
Reden gegen den Militarismus und die Kriegsvorbereitungen.
In sozialpolitischen Fragen konnte er auf parlamentarischem
Boden einige Erfolge erringen. So setzte er einen Antrag
durch, die tägliche Arbeitszeit für Bergarbeiter
von zehn auf neun Stunden herabzusetzen. Seine Worte gegen
den Krieg - "Wenn der Mord bestraft wird mit dem Tode,
was für eine Strafe verdienen dann die, die zu den
Urhebern des Massenmordes werden?" (1912) - blieben wirkungslos.
Sie machten ihn bei den Herrschenden zu einem der am heftigsten
angefeindeten Politiker. |
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Am 11. September 1913 sprach Franz Schuhmeier bei einer
Wahlkundgebung in Stockerau. Als er mit der Bahn nach Wien
zurückfuhr, saß im gleichen Zug Paul Kunschak,
ein Bruder des christlichsozialen Arbeiterführers Leopold
Kunschak (Ehrengrab Zentralfriedhof). Paul Kunschak
war einmal selbst Sozialdemokrat gewesen. Im Ottakringer
Arbeiterbildungsverein lernte er Schuhmeier kennen, der
dort einen Stenografiekurs hielt, an dem Kunschak teilnahm.
Paul Kunschak wechselte oft den Arbeitsplatz, war dann
in Hoffnung auf besseren Verdienst in Argentinien, Südafrika
und England. Als er 1905 mit einigen Ersparnissen nach
Wien zurückkehrte, wurde er Christ lachsozialer. Als
er als Dreher bei Siemens-Schuckert aufgenommen wurde,
weigerte er sich, der Gewerkschaft beizutreten, worauf
sozialdemokratische Vertrauensmänner seine Entlassung
durchsetzten. Zwei dieser Vertrauensmänner wurden
deshalb wegen Erpressung zu je vierzehn Tagen Arrest verurteilt.
Kunschak wechselte wieder oft den Arbeitsplatz, weil er
immer wieder Schwierigkeiten mit den Arbeitskollegen hatte.
Seit Jänner 1911 suchte er keine Arbeit mehr und lebte
von seinen Auslandsersparnissen.
Immer stärker staute sich in ihm der Hass gegen die
Sozialdemokratie auf, der er die Schuld an seinem Schicksal
gab - und vor allem der Hass gegen Schuhmeier, den er als
einzigen führenden Politiker der Sozialdemokraten
persönlich kannte. |
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Als er die Ankündigung der Versammlung in Stockerau
las, beschloss er, Schuhmeier im Nordwestbahnhof abzupassen,
in den gleichen Zug einzusteigen und im Zug Schuhmeier zu
erschießen. Während der Fahrt überlegte er
es sich. Er stieg in Korneuburg aus, um später nach
Wien zurückzukehren und den geplanten Mord im Bahnhof
durchzuführen.
Er wusste nicht, dass er zufällig
im gleichen Zug wie Schuhmeier zurückfuhr. Erst in der
Bahnhofshalle sah er ihn vor sich. Kunschak zog sofort seine
Pistole und schoss aus fünf Schritten Entfernung. Schuhmeier
wurde in den Kopf getroffen und war sofort tot. Zwei Eisenbahner überwältigten
den Attentäter, der beim ersten Polizeiverhör
gleich die Tat gestand.
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Paul Kunschak wurde zum Tod durch den Strang verurteilt.
Dem späteren Gnadengesuch schloss sich - im Geiste
Franz Schuhmeiers, der ein Gegner der Todesstrafe war - auch
die Witwe des Ermordeten an.
Das Urteil wurde in zwanzig Jahre schweren Kerkers umgewandelt,
am 20. November 1918 wurde Paul Kunschak amnestiert und
aus der Haft entlassen. |
Begräbnis Schuhmeier |
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Am 16. Februar 1913 zog durch Ottakring ein Trauerzug,
wie ihn Wien noch nicht gesehen hatte: Eine Viertelmillion
Menschen gab Franz Schuhmeier das letzte Geleit zum Ottakringer
Friedhof. Am B. Februar 1914 wurde ein Grabdenkmal enthüllt.
Die 1923 gebaute Wohnanlage Pfenninggeldgasse 6-12 wurde
nach Schuhmeier benannt, am 17. Mai 1925 wurde dort eine
von Siegfried Bauer geschaffene Bronzebüste enthüllt,
die 1934 vom autoritären Regime entfernt und zerstört
wurde; am 11. Februar 1948 wurde eine Nachbildung aufgestellt.
Auch der Schuhmeierplatz und die Franz-Schuhmeier-Gasse
im 23. Bezirk erinnern an den Ottakringer Arbeiterführer.
Sein Nachfolger als Obmann der Ottakringer Sozialdemokraten
wurde Albert Sever (Ehrengrab). |
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Quellen:
Ottakring, Vom Brunnenmarkt zum Liebhartstal; Klusaceck; Mohl
Verlag 1983
Neue
Freie Presse, 12.2.1913 (Ermordung)
Wiener
Bilder, 16.2.1913 (Ermordung)
Wiener
Bilder, 23.2.1913 (Begräbnis)
Wiener
Bilder, 25.5.1913 (Verhandlung)
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Gräber
Gesamtliste Wien |
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