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Home | KHM | Die Malkunst

Die Malkunst
Jan Vermeer

Vermeer - Atelier - Modell und Signatur - Arbeitstisch - Licht und Perspektive - Historienbild - Klio - Hitler - Buch und Film

'Die Malkunst' , Jan Vermeer, 1665, 120 x 100 cm

 

Atelier

Jan Vermeer, 1632 - 1675 (Wikipedia), hatte in seinem kurzen Leben - er wurde nur 43 Jahre alt, gerade mal 40 Bilder gemalt, dieses hier ist das Größte von allen.

Geboren 1632 in Delft heiratet er eine gut situierte Frau, lebt mit ihr bei der Schwiegermutter und führt den Kunsthandel seines Vaters weiter.

Er lebt eher schlecht als recht, denn nach seinem Tod musste seine Gattin, mit der er elf Kinder hatte, seine Bilder verkaufen, um die Schulden zahlen zu können.

„Der Künstler in seiner Werkstatt“ in allen möglichen Varianten war ein populäres Thema der Zeitgenossen Vermeers.

Wir sind eingeladen, einen Blick in das Maleratelier zu werfen. Der schwere, gemusterte Vorhang ist schon beiseite gezogen, er wird fixiert von einem fein gearbeiteten Ledersessel, auf den wir uns setzen und das Geschehen beobachten können.

   

Der Maler sitzt auf einem Schemel. Er dreht uns den Rücken zu,
vor ihm steht eine Staffelei mit einer Leinwand, auf der er gerade
begonnen hat, den Kopfschmuck seines Modells zu malen.

Modell und Signatur

Sein Modell ist eine junge, schöne Frau. Vermeer hat immer weibliche Personen gemalt, Männer dienen allenfalls als Assistenzfiguren.

Das Mädchen trägt einen blauen Umhang, in der gleichen Farbe des Kopfschmuckes gehalten, welcher aus Federn und Lorbeerblättern besteht.

Sie blickt entspannt, fast kontemplativ zu Boden und strahlt sehr viel Ruhe aus. Vermeer malt meistens seine Figuren in meditativem Zustand, lesend, schreibend, ein Musikinstrument spielend, oder bei alltäglichen Tätigkeiten im Haushalt.
Auch in diesem Bild gibt es keine Dramatik.

Signiert ist das Bild rechts vom Kragen des Mädchens, im goldenen Rand der Landkarte mit "I Ver Meer".

Das Modell, rechts daneben die Signatur des Künstlers.
 

Arbeitstisch

Auf dem schweren Eichentisch vor dem Modell liegen allerlei Künstlergegenstände.

Das Skizzenbuch liegt aufgeschlagen, quer auf dem Tisch, ein Teil ragt über die Kante hinaus und stellt damit eine Verbindung vom Maler zum Modell dar. Gleichzeitig bildet das Skizzenbuch den Abschluss ihres blauen, sehr breiten Umhanges, sie wirkt wie eine Statue auf einer Basis, der Sockel wird gebildet von den wasserfallartig drapierten Seidenstoffen und ihrem Rock.

Ein großer Buchband steht schräg auf dem Tisch, er lässt uns die Größe des Tisches erahnen.

Daneben befindet sich eine Gipsmaske. Dass es sich dabei um das Gesicht des Künstlers handelt, ist unwahrscheinlich.

Wir wissen nicht, wie der Vermeer ausgesehen hat, es gibt von ihm weder Selbstportraits, noch Aufzeichnungen, Werkbeschreibungen oder irgendeine Korrespondenz.

Arbeitstisch mit Buch, Gipsmaske, Skizzenbuch, Seidenstoffen
 

 

Licht und Perspektive

Vermeer war ein Meister der Lichtführung. Das Mädchen steht offensichtlich vor einem Fenster, im hellen, warmen Licht. Das Licht ist sanft und kraftvoll zugleich. Ihre Farben azurblau (Umhang) und gelb(Buch) spiegeln die Farben des Himmels und der Sonne wider.

Eine weitere, schwächere Lichtquelle befindet sich im Vordergrund. Der beiseitegezogene Vorhang wird angestrahlt, wir erkennen die Schatten des Malers auf der Leinwand und auf dem Boden unter dem Schemel.
Um den dunkleren Vordergrund mit dem helleren Hintergrund zu verbinden, lässt Vermeer einen Teil der Sitzfläche des Schemels frei.

Die Komposition ist ein Meisterwerk der Perspektive.

Der schräge Ledersessel vor dem Vorhang führt uns von links vorne nach rechts hinten über den Schemel und die Staffelei in das Bild hinein, auch die Füße des Malers sind richtungweisend, was durch die roten Strümpfe noch mehr betont wird. Das Rot wiederholt sich in der Spitze des Malstock und in der Landkarte.

Der Maler scheint sehr nahe der Staffelei zu sein, das Mädchen von ihr sehr weit entfernt, obgleich man an den Fußbodenplatten erkennen kann, dass der Abstand annähernd gleich ist. Der ganze Raum wirkt viel größer, als er eigentlich ist.

 
Ein Meisterwerk der Lichtführung und der Perspektive.

 

Der schwarz-weiße Mamorfußboden ist nicht nur raffiniert verlegt: die weißen Kacheln führen direkt auf das Modell zu, sondern spielt eine große Rolle in der Perspektive des Bildes, denn der Maler hat als geometrischen Fluchtpunkt der Kacheln den Punkt links unten von der Landkarte gewählt (Knauf neben der rechten Hand des Mädchens).
Damit erzeugt er sehr viel Tiefe im Raum. Stabilisierend sind die Vertikal- und Horizontallinien angeordnet.

 

Parallele Querlinien:
stabile Balkendecke, Kanten der Landkarte,
Tischplatte, Sessel am rechten Bildrand, Fußboden.

 

Parallele Vertikallinien:
- linker, innerer Seitenrand der Landkarte - Nase des Mädchens, - Tischkante.
- mittlerer Knick der Landkarte – Fuß des Künstlers (sein Körper liegt fast genau in der Achse)
- rechte Kante der Landkarte – rechte Stuhlseite – Fußpunkt der Staffelei

 

Die Staffelei bildet ein gleichschenkeliges Dreieck,
die Linie des linken Längsbalkens läuft im Schemelbein aus.

Historienbild

Die (Landkarte zeigt Holland, und zwar noch vor der Teilung in den protestantischen Norden (angeführt von den Oraniern), und den katholischen Süden (in dem die spanischen Habsburger regierten).

Die Teilung, erkennbar an dem Knick in der Mitte, erfolgte 1648, das war die Geburtsstunde der heutigen Niederlande, im Süden entstand später Belgien.

Ungewohnt ist die Ausrichtung der Landkarte: sie ist um 90 % gedreht (oben ist Westen und nicht wie heute üblich, Norden).

Vermeer malte das Bild viele Jahre später (1665), er betätigt sich hier als Historienmaler und nimmt vielleicht auch persönlich Stellung.

Zeigt die Spitze der Staffelei zufällig auf den protestantischen Norden? Steht das Mädchen zufällig vor der Stadtansicht Delft mit dem Königspalast der Oranier? Der Kronleuchter trägt keine Kerzen, aber den habsburgischen Adler. Die Macht der Habsburger im protestantischen Norden war erloschen.

Der Maler auf dem Bild trägt auch historische Kleidung. Der Wams (Wikipedia) mit geschlitztem Rückenteil (schwarz-weiß: variiert die Farben des Fußbodens) und weiten Ärmeln, sowie Pluderhosen und Barett war Mode im vorhergegangenen
16. Jahrhundert.

Der Knick in der Mitte zeigt die Teilung des Landes 1648.
 

 

Leuchter ohne Kerzen mit Habsburger-Adlern

Klio

Das Mädchen wird als Klio interpretiert, als Muse der Geschichtsschreibung. Das Buch repräsentiert die Geschichtsschreibung, die Trompete posaunt den Ruhm hinaus, der Lorbeerkranz gebührt dem Sieger und/oder der Malkunst?

Es gibt viele Interpretationen, so auch „Lukas malt die Madonna“, weil das Modell einen blauen Umhang trägt.

Klio, die Muse der Geschichte
Klio, Pierre Mignard, 1689, Budapest

 


Hitler kauft das Bild

1940 erwarb Adolf Hitler für sein geplantes Museum in Linz „Die Malkunst“ für 1.650.000 Reichsmark von den Österreichern Eugen und Jaromir Czernin.

Nach dem Krieg wurde es in die ständige Sammlung des Kunsthistorischen Museums eingebracht.

Bild: KHM 1938, Propaganda-Ausstellung anläßlich der Volksabstimmung

Buch und Film

Vermeer ist einem breiteren Publikum bekannt geworden durch den 2001 erschienen Roman „Das Mädchen mit dem Perlenohrring“ von Tracy Chevalier.
Das Buch befasst sich mit der Frage, wer die Frau auf dem Bild „Das Mädchen mit dem Perlenohrgehänge“ ist und entwickelt eine fiktive Geschichte um die Magd Griet, die für das Bild Modell sitzt.

2003 wurde das Buch von dem britischen Filmregisseur Peter Webber verfilmt.
Das „Mädchen mit dem Perlenohrring“ erhielt mehrere Preise und wurde für drei Oscars nominiert.

 

Februar 2009

Quellen: Vermeer, John Nash, Scala Books, Rijksmuseums-Stiftung; KHM, Geschichte des Hauses am Ring