Figl - Der Staatsvertragspolitiker
Leopold Figl war
wohl einer der polulärsten Politiker Österreichs
und eine der prägnantesten Figuren der Zeitgeschichte.
Er besuchte das Gymnasium in St. Pölten
und studierte Agrarwissenschaft. |
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Dann wurde er im Bauernbund politisch
tätig und übernahm damit eine zentrale
Funktion im Ständestaat. 1938 wurde er wegen
seines Widerstands gegen den Anschluss Österreichs
inhaftiert (KZ Dachau, KZ Mauthausen).
Nach Kriegsende war er Landeshauptmann
von Niederösterreich, Bundeskanzler, Außenminister
und Erster Präsident des Nationalrates.
In der Funktion des Außenministers
unterschrieb er für Österreich am 15.5.1955
den Staatsvertrag - mit grüner Tinte. |
Staatsvertrag |
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Im April 1945 war Figl Mitbegründer
und bis 1951 erster Obmann der Österreichischen
Volkspartei.
1962 wurde Figl auf Ersuchen des Bauernbundes
einstimmig - auch mit den Stimmen der SPÖ - zum
Landeshauptmann bestellt. Seine letzten Lebensjahre widmet
er voll und ganz Niederösterreich.
Er war von Anfang an ein Landeshauptmann "zum
Anfassen" und wurde - wie sein Namenspatron - zum überaus
populären und beliebten "Landesvater", der von seinen
Landsleuten liebevoll "Poldl" genannt wurde. Er
war viel unterwegs und kam zu großen und kleinen
Festen. So fungierte er im "Drillingsjahr" 1963 viermal als
Pate.
Figl starb in Wien und wurde am 14. Mai
1965, einen Tag vor der Feier des Staatsvertragsjubiläums,
unter großer Anteilnahme in einem Ehrengrab am
Wiener Zentralfriedhof beigesetzt.
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Die
Weihnachtsrede "Glaubt an dieses Österreich!" |
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Die Rede wurde erst 20 Jahre
später aufgezeichnet. |
Leopold Figls berühmte Weihnachtsansprache
des Jahres 1945 gehört zu den bekanntesten und wohl
berührendsten Reden der Zweiten Republik: "Ich
kann euch zu Weihnachten nichts geben, kein Stück
Brot, keine Kohle zum Heizen, kein Glas zum Einschneiden.
Wir haben nichts. Ich kann euch nur bitten: Glaubt an
dieses Österreich." Hörbeispiel
(Weihnachten 45)
Stärker als so manche Bilder, können
diese Worte das Jahresende 1945 vermitteln: zerbombte
Städte, Armut und Verzweiflung - besonders den späteren
Generationen, die dieses Lebensgefühl in keinster
Weise kennen.
Nur im ersten Moment mag es daher enttäuschend
sein, dass diese Rede tatsächlich erst 20 Jahre
später aufgenommen wurde, im April 1965, drei Wochen
vor Figls Tod. Damals hatte Hans Magenschab als Generalsekretär
der Katholischen Verbände anlässlich des 20.
Jahrestages des Kriegsendes am Stephansplatz eine effektvoll
inszenierte Show - mit Lichtspielen, Tondokumenten, Heulen
der Flugzeuge - geplant.
Aus einem Lautsprecher sollte eine Ansprache
Figls aus dem Jahr 1945 zu hören sein. Allerdings
gab es weder Tondokumente noch Manuskripte aus der Zeit.
Nach umfangreichen Recherchen in Zeitungen, Büchern,
Parteibroschüren sowie einer frühen Figl-Biografie
verfasste Magenschab, inzwischen bestens vertraut mit
Wortwahl und Tonfall Figls, eine Rede.
Sein Freund, der spätere ORF-Intendant
Ernst Wolfram Marboe, ein Großneffe Figls, organisierte
die Aufnahme mit Leopold Figl im Funkhaus in der Wiener
Argentinierstraße. Er las den Magenschab-Text vom
Blatt – es sollte sein letzter Auftritt vor dem
Mikrofon sein. Leopold Figl hat sich mit dieser Rede
identifiziert und sie somit gleichsam im Nachhinein autorisiert.
Als die Aufnahme am Stephansplatz durch den Lautsprecher
drang, brachen unzählige TeilnehmerInnen in Tränen
aus, auch Figl selbst.
Diese Rede ist nicht authentisch, sondern
eigentlich eine "Fälschung", wie es zahllose
Fälschungen in der Geschichte gibt. Und doch ist
sie "wahr", nicht nur, weil Leopold Figl 1945
wohl Ähnliches gesagt hat, sonst hätte er sie
nicht zwanzig Jahre später vorgelesen, sondern weil
diese Worte in einmaliger Weise die Erfahrungen von "Weihnachten
1945" enthalten.
Es gibt nicht wenige Zeitzeugen, die überzeugt
sind, genau diese Worte Figls 1945 aus dem Radio gehört
zu haben - einfach weil sie wahr sind.
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