Er war Osterreichs bedeutendster Dramatiker, und er war auch ein Beamter, wie's im Buche steht. 43 Jahre - von 1813 bis 1856 - bewährte sich Franz Grillparzer als treuer Diener seiner Herren. Üblicherweise musste ein Staatsbeamter damals, ehe er das erste Salär bekam, zwölf Jahre als unbezahlter Praktikant tätig sein. Bei Grillparzer ging's schneller, seine erste Gehaltszahlung wurde ihm schon nach vier Jahren ausgefolgt. Als kleiner Beamter in der Hofkammer feierte er seine frühen schriftstellerischen Erfolge, später im Finanzministerium war er bereits ein berühmter Dichter.
Dass sich der Umfang seiner Amtsgeschäfte in Grenzen hielt, wird durch Grillparzers Tagebucheintragungen belegt. " 18. Februar 1829: Zwei Stunden im Bureau. Vor Tisch: Besuch bei Fröhlichs, nach Tisch: Besuch bei Daffinger." Und am nächsten Tag: "12 Uhr Mittag ins Bureau. Keine Arbeit vorgefunden."
Bereits Direktor des Hofkammerarchivs, notierte Hofrat Grillparzer: "Ich will die Amtsstunden halten, will fleißig sein, aber ich nehme mir zugleich vor, jeden Tag im Amtslokale etwas Poetisches zu arbeiten", und tatsächlich entstanden in dieser Zeit einige seiner bedeutendsten Werke.
Einmal sollte sich sein sonst so ruhiger Posten als lebensgefährlich erweisen. Grillparzer schildert den Vorfall am 7. April 1832: "Gestern mittags, wo ich allein im Archiv war und ein Dokument aus einem Faszikel in der obersten Reihe der Akten hart am Plafond herausnehmen wollte, fiel ich, aus dem Gleichgewichte gebracht, von der obersten Sprosse der Leiter und stürzte die ganze Höhe des Archivsaales, also mindestens 5 Klafter (9,5 Meter) hoch herunter, ohne mich, was einem Wunder gleicht, außer einigen Hautabschindungen und Quetschungen sonst irgend bedeutend zu beschädigen. Beim Falle und während desselben stellte ich die ruhigsten Betrachtungen an. Ich konnte verloren seyn und fasse auch nicht, wodurch mir's erspart wurde."
Grillparzer hat, wie manch anderer Großer, ständig seine Unterkünfte gewechselt. Musste er in seiner Jugend mit der früh verwitweten Mutter aus finanziellen Gründen von einer armseligen Behausung in die nächste ziehen, so waren es später seine innere Unruhe, seine Unausgeglichenheit und seine schweren Depressionen, die die vielen Übersiedlungen bedingten.
Vor dem 1823 erfolgten Umzug aus dem Haus Dorotheergasse 6 in eine in der Ballgasse gelegene Wohnung schreibt er: "Ist's nicht sonderbar? Der einzige Grund, warum ich meine gegenwärtige Wohnung aufgekündigt habe, ist, weil ein im nächst daranstoßenden Zimmer stehendes Klavier mich, so oft darauf gespielt wurde, sehr störte. Jetzt, da ich weiß, dass ich diese Unbequemlichkeit bald los seyn werde, stört mich das Spielen des Klaviers gar nicht mehr, und ich könnte während desselben die tiefsinnigsten Arbeiten machen, ohne irgend zerstreut zu werden."
Doch es war zu spät, um bleiben zu können, die alte Wohnung in der Dorotheergasse - in der er trotz nachbarlichen Klaviergeklimpers sein Trauerspiel König Ottokars Glück und Ende geschaffen hatte - war bereits gekündigt und die neue angemietet. In der Ballgasse blieb er drei Jahre, um dann als "Untermieter ohne Dienerschaft" in diversen Wohnungen zu logieren. Erst 1849 fand die Odyssee des inzwischen 58 Jahre alt gewordenen Dichters ein Ende, als er sich bei den Schwestern Fröhlich in der Spiegelgasse 21 einmietete.
Katharina und Anna Fröhlich betreuten ihn dann in ihrer im vierten Stock gelegenen Wohnung bis zu seinem Tod, wobei "Kathi" - die er viel früher schon im Salon des Bankiers Geymüller kennengelernt hatte - als seine "ewige Braut" in die Literaturgeschichte einging. Grillparzer starb 81-jährig am 21. Jänner 1872 in der Wohnung der Schwestern Fröhlich. Er hinterließ ihnen seinen ganzen Besitz; Katharina übergab den literarischen Nachlass der Stadt Wien.
In zwei seiner zahllosen Unterkünfte hatte Grillparzer Schreckliches miterleben müssen: Während er 1817 im Schottenhof auf der Freyung an seiner Tragödie Sappho schrieb, nahm sich sein jüngster Bruder Adolf im Nebenzimmer das Leben. Zwei Jahre später erhängte sich seine mit ihm im gemeinsamen Haushalt in der Judengasse lebende Mutter.
(Quelle: Markus) |